Adipositas und Alterung: zwei Seiten der gleichen Medaille

Adipositas solltenach dem gleichen Maßstab wie frühzeitige Alterung bewertet werden: Zu diesem Ergebnis kommt ein kürzlich in Obesity Review veröffentlichter Artikel.

Die Wissenschaftler haben untersucht, auf welche Weise Adipositas Menschen dafür prädisponiert, bestimmte Krankheiten oder Bedingungen zu entwickeln, die normalerweise bei älteren Menschen anzutreffen sind: eine beeinträchtigte Genomstruktur, ein geschwächtes Immunsystem, nachlassende kognitive Fähigkeiten, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Diabetes Typ 2, Alzheimer, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs und anderen Pathologien.

Die von Sylvia Santosa (Concordia University Montreal, Kanada) und ihrem Team durchgeführte  Studie hat mehr als 200 Artikel ausgewertet, die sich mit den Auswirkungen von Adipositas, von den Zellen bis zum Gewebe des gesamten Körpers, beschäftigen. Viele frühere Studien hatten Adipositas schon mit einem vorzeitigen Tod in Verbindung gebracht, dieses Mal wurde sie jedoch als Faktor betrachtet, der die Alterungsmechanismen direkt beschleunigt. Und tatsächlich verweisen die Ergebnisse darauf, dass die Dynamik, mit der sich die Komorbiditäten von Adipositas und Alterung entwickeln, sehr ähnlich ist.

Betrachten wir zum Beispiel die Prozesse, die dem Zelltod und der Erhaltung der Zellgesundheit zugrunde liegen, Apoptose und Autophagie genannt, und gewöhnlich mit dem Altern assoziiert sind. Die untersuchten Studien zeigten, dass die durch Adipositas induzierte Apoptose bei Mäusen hinsichtlich verschiedener Organe festgestellt wurde: Herz, Leber, Nieren, Neuronen, Innenohr und Retina. Zudem scheint Adipositas die Autophagie zu hemmen, was Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes Typ 2 und Alzheimer begünstigen kann.

Unter genetischen Gesichtspunkten, die ebenfalls von der Studie berücksichtigt wurden, bewirkt die Adipositas eine Reihe von Alterationen, die gewöhnlich mit dem Alterungsprozess verbunden sind. Zum Beispiel die Verkürzung der Telomere, die bei PatientInnen mit Adipositas um bis zu 25 % kürzer sein können wie in der Kontrollgruppe.

Auch die die Auswirkungen der Adipositas auf den kognitiven Abbau, die Mobilität, Bluthochdruck und Stress ähneln denen, die mit dem  Alterungsprozess einhergehen, als würde Adipositas die Alterung des Immunsystems beschleunigen, allerdings scheint auch eine spätere Gewichtsreduktion diesen Prozess nicht immer aufhalten zu können.

Die Auswirkungen auf das Immunsystem beeinflussen die Anfälligkeit für Krankheiten wie Grippe, die PatientInnen mit Adipositas häufiger betreffen als Normalgewichtige. Fettleibige haben auch ein höheres Risiko für Sarkopenie, eine normalerweise mit dem Altern einhergehende Krankheit, bei der die Muskelmasse und die Muskelkraft allmählich abnehmen.

Santosa hat erklärt, dass ihr die Idee für diese Studie kam, als sie feststellte, dass viele fettleibige Kinder für das Erwachsenenalter typische Krankheiten wie Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte und Diabetes Typ 2 entwickelten: Das heißt, die Komorbiditäten der Adipositas ähneln denen des Alterungsprozesses.

Die Studie könnte zum besseren Verständnis von Adipositas beitragen und neue Ideen über Behandlungsmöglichkeiten anregen: „Ich hoffe, dass diese Ergebnisse unseren Ansatz zum Verständnis der Adipositas fokussieren und es uns gleichzeitig erlauben, Adipositas auf unterschiedliche Arten zu betrachten“, stellt Santosa fest.

Quelle

Tam BT et al. Obesity and ageing: Two sides of the same coin. Obes Rev 2020 Feb 5. doi: 10.1111/obr.12991. [Epub ahead of print]