Eine große randomisierte Nicht-Unterlegenheitsstudie, die im New England Journal of Medicine erschienen ist, ergab, dass die Ergebnisse von PatientInnen, die bei einer Blinddarmentzündung Antibiotika erhielten, in Bezug auf die Lebensqualität zumindest kurzfristig nicht schlechter waren als die von PatientInnen, denen der Blinddarm herausgenommen wurde.
Im Wesentlichen geht aus der Studie hervor, das die beste Behandlung bei einer Blinddarmentzündung von den einzelnen PatientInnen und der Entscheidung des Arztes oder der Ärztin abhängt.
David Flum, der Direktor des Surgical Outcomes Research Center an der Universität Washington, hat zusammen mit einer Gruppe von KollegInnen die Studie Comparison of Outcomes of Antibiotic Drugs and Appendectomy (CODA) durchgeführt, bei der ein zehntägiger Antibiotikazyklus der Appendektomie gegenübergestellt wurde. Betroffen waren PatientInnen an 25 Standorten in den USA.
Die Studie untersuchte 1552 Erwachsene (davon 414 mit Appendikolith), von denen 776 zufällig der Antibiotika-Gruppe und 776 der Appendektomie-Gruppe zugeordnet wurden (96 % wurde laparoskopisch operiert).
Nach 30 Tagen erwies sich, dass die Behandlung mit Antibiotika der Appendektomie, die 120 Jahre lang Behandlungsstandard war, nicht unterlegen ist, auf der Grundlage der Punktzahl auf dem Fragebogen European Quality of Life-5 Dimensions (EQ-5D) nach 30 Tagen.
Der Fragebogen EQ-5D im Abstand von 30 Tagen wurde als primärer Endpunkt ausgewählt, weil er schon als allgemeiner Gesundheits-Maßstab nach der Behandlung der Appendizitis validiert wurde und der Zeitraum von 30 Tagen die typische Dauer für die Erholung nach einer Appendektomie darstellt, erklärt Flum. Allerdings bemerkt der Autor des Leitartikels, Danny Jacobs, Präsident der Oregon Health and Science University in Portland, Oregon, dass fast ein Drittel (29 %) der PatientInnen aus der Antibiotika-Grupe innerhalb von 90 Tagen einer Appendektomie unterzogen wurde.
Ein Appendikolith, der eine mögliche Komplikation darstellt, war der wichtigste Grund für einen chirurgischen Eingriff (bei 41 % der PatientInnen mit dieser Komplikation musste der Blinddarm entfernt werden), jedoch nicht der einzige.
In der Antibiotika-Gruppen traten häufiger Komplikationen auf als in der Appendektomie-Gruppe (8,1 vs. 3,5 auf 100 ProbandInnen). Der Anteil an schwerwiegenden Ereignissen betrug 4,0 auf 100 ProbandInnen in der Antibiotika-Gruppe und 3,0 in der Vergleichsgruppe. Darüber hinaus suchten die TeilnehmerInnen aus der Antibiotika-Gruppe die Notfallambulanz dreimal häufiger auf und verbrachten auch mehr Zeit im Krankenhaus, bemerkt Jacobs.
„Wenn man bedenkt, dass die laparoskopische Appendektomie eine höchst effiziente Therapie darstellt – die den Schmerz schnell abklingen lässt, es den PatientInnen erlaubt, ihre Alltagsbeschäftigungen wieder aufzunehmen und das Risiko weiterer Blinddarmentzündungen sowie von Krankenhausaufenthalten abwendet – denke ich, dass in den meisten Fällen die chirurgische Behandlung der Appendizitis zu empfehlen ist, wenn diese Option zur Verfügung steht”, schreibt Jacobs.
Überdies gibt es ein weiteres Risiko, das sich aus einer zu positiven Interpretation der Behandlung mit Antibiotika ergibt: Ausgehend von der Studie könnten besonders „gefährdete Teile der Bevölkerung“ dazu gebracht werden, die Antibiotika-Therapie zu akzeptieren, „ohne angemessen über die langfristigen Implikationen aufgeklärt zu werden“.
Jedoch stimmt Jacobs überein, dass die schwerwiegenden Probleme, die mit der Covid-19-Pandemie für die Gesundheitseinrichtungen einhergehen, in einigen Fällen für eine nicht-chirurgische Therapie sprechen.
Quelle
The CODA Collaborative.A randomized trial comparingantibiotics with appendectomy for appendicitis. October 5, 2020.