Es ist nicht einfach, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Eine dänische Kohortenstudie, die auf nationale Datenbanken zurückgreift, liefert eine Reihe von Daten und Denkanstößen.
Die Studie. Die Studienpopulation setzte sich aus 905.383 zwischen 1998 und 2012 in Dänemark geborenen Personen zusammen, die von der Geburt bis zum Juli 2014 begleitet wurden. Bei 32.400 von ihnen stellte man psychiatrische Störungen fest. Sie wurden in vier Gruppen eingeteilt, ausgehend davon, inwiefern sie in den beiden Jahren vor und während der Schwangerschaft Antidepressiva ausgesetzt waren. In jeder Gruppe wurde die Inzidenz von psychiatrischen Störungen untersucht, die in Folge aufgeführt ist:
- nicht exponierte Frauen: 8.0 % (95 % CI 7.9 % – 8.2 %)
- Einnahme von Antidepressiva vor und Unterbrechung während der Schwangerschaft: 11.5 % (95 % CI 10.3 % – 12.9 %)
- Einnahme vor und während der Schwangerschaft: 13.6 % (95 % CI 11.3 % – 16.3 %)
- Einnahme nur während der Schwangerschaft (erstmalige Anwenderinnen): 14.5 % (95 % CI 10.5 % -19.8 %)
Im Allgemeinen hatten die Kinder der Frauen, die während der Schwangerschaft weiter Antidepressiva einnahmen, ein um 30 % erhöhtes Risiko von psychiatrischen Störungen als die der Frauen, welche die Einnahme unterbrochen hatten. Allerdings muss ein wichtiger Aspekt berücksichtigt werden: Antidepressiva werden während der Schwangerschaft nur Frauen mit besonders schweren Störungen verschrieben, weshalb eine “Confounding by Indication”-Wirkung vorliegen könnte. Auch die genetische Veranlagung und der durch die Umgebung bedingte Stress könnten eine Rolle spielen. Zu erwägen ist zudem, dass von den Müttern, die weiter Antidepressiva einnahmen, 7.7 % eine stationäre psychiatrische Behandlung erhielten und 28.5 % ambulant behandelt wurden; bei den Frauen, die die Einnahme unterbrochen hatten, betrug der Anteil jeweils 4.3 % und 2.5 %.
Die methodologischen Probleme
Schwangere Frauen werden selten in randomisierte kontrollierte Studien aufgenommen. Prospektive pharmakoepidemiologische Langzeitstudien (wie die dänische Studie) sind die einzige in der Realität praktikable Lösung, wie man im begleitenden Leitartikel lesen kann. „Die Datenbanken zur medizinischen Versorgung, wie jene, die für die dänische Studien genutzt wurden, stellen eine wichtige Ressource dar (…). Jedoch haben die Studien, deren Grundlage Datenbanken und Verzeichnisse sind, Grenzen und müssen um genetische und epigenetische Studien, pharmakokinetische Daten, Tierversuche und In-Vitro-Forschung ergänzt werden, die alle zusammen ein vollständiges Bild der Mechanismen vermitteln können, mit denen Arzneimittel auf die Entwicklung des Fötus einwirken“.
Soll die Einnahme von Antidepressiva während der Schwangerschaft fortgesetzt oder unterbrochen werden?
Die Autoren der dänischen Studie stimmen mit den Positionen der American Psychiatric Association und des American College of Obstetricians and Gynecologists überein: Bei Patientinnen, die über eine Zeitraum von mindestens sechs Monaten keine oder nur leichte Symptome einer Depression aufweisen, kann eine Unterbrechung der Einnahme vor der Empfängnis in Betracht gezogen werden; bei Patientinnen mit einer schweren, rezidivierenden depressiven Störung kann es sein, dass eine Unterbrechung vor und während der Schwangerschaft nicht in Frage kommt. „Die Ergebnisse unserer Studien ändern nichts an diesen Empfehlungen“, bemerken die Autoren, und fügen hinzu: „Es ist hervorzuheben, dass jede Entscheidung über die weitere Einnahme von Antidepressiva individuell und gemeinsam mit der Patientin getroffen werden sollte“.
Quellen:
Liu X et al. Antidepressant use during pregnancy and psychiatric disorders in offspring: Danish nationwide register based cohort study. BMJ 2017;358:j3668
Nordeng H et al. Prenatal exposure to antidepressants and increased risk of psychiatric disorders. BMJ 2017;358:j3950