Arthroskopie bei degenerativer Erkrankung des Kniegelenks: eine Leitlinie

Etwa ein Viertel aller Menschen über 50 Jahren hat Schmerzen am Knie, die auf eine degenerative Erkrankung zurückzuführen sind, und die Arthroskopie des Kniegelenks stellt in den Ländern, für die Daten vorlegen, den häufigsten orthopädischen Eingriff dar: Man schätzt, dass jedes Jahr mehr als zwei Millionen durchgeführt werden.

Jedoch kommt eine kontrollierte randomisierte Studie, die 2016 im BMJ erschienen ist, zu dem Ergebnis, dass bei PatientInnen mit einer degenerativen Läsion des medialen Meniskuseine Arthroskopie des Kniegelenks gegenüber einer Physiotherapie keine Vorteile bietet.

Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie wurden zwei systematische Übersichtsarbeiten durchgeführt: Auf der Grundlage der Resultate hat ein Experten-Panel eine deutliche Empfehlung gegen die Arthroskopie bei einer degenerativen Erkrankung des Kniegelenks und Meniskusläsionen formuliert. Diese Empfehlung trifft für fast alle PatientInnen mit besagter Pathologie zu.

Die Empfehlung gilt für PatientInnen mit degenerativer Erkrankung des Kniegelenks, bei denen folgende Elemente vorliegen oder nicht:

  • Anzeichen von Osteoarthrose, die aus Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren hervorgehen
  • leichte bis schwere Osteoarthrose
  • mechanische Symptome
  • beginnende akute Schmerzen
  • Meniskusläsionen

Es muss dazu gesagt werden, dass die Diagnose “degenerative Erkrankung des Kniegelenks” nicht bei Menschen gestellt wird, bei denen kurz zuvor Symptome aufgetreten sind, die auf eine schwerere Knieverletzung mit geschwollenem Gelenk zurückgehen. Außerdem gilt die Leitlinie nicht für junge Menschen mit Sportverletzungen.

Bei der Ausarbeitung der Empfehlungen wurden die Präferenzen der PatientInnen berücksichtigt und drei Schlüsselergebnisse ermittelt: Schmerzen, Funktionalität und Lebensqualität. Daraufhin wollte man, unter Miteinbeziehung von Patientenvertretern, herausfinden, welches Maß an individueller Veränderung auf einer bestimmten Skala für die Betroffenen wichtig ist. Die Resultate der analysierten Studien zeigen, dass es langfristig bei den Ergebnissen der beiden Vorgehensweisen keine großen Unterschiede gibt. Wer sich einem Eingriff unterzieht, setzt sich jedoch dem Risiko von venösen Thromboembolien (5 pro 1000 Patienten) und Infektionen (2 pro 1000 Patienten) aus.

Die Resultate der systematischen Übersichtsarbeiten und die Einschätzungen des Expertenpanels und der PatientInnen wurden in einer Infographik zusammengefasst, die im Bereich “Rapid recommendations” des BMJ erschienen ist. Die Infographik hat den Vorteil, einen Überblick über Risiko und Nutzen der Arthroskopie zu geben und greift dafür auf das GRADE-System zurück, das der Bewertung von wissenschaftlichen Nachweisen und der Formulierung von evidenzbasierten klinischen Empfehlungen dient. Die graphische Darstellung der Ergebnisse ist ein ausgezeichnetes Instrument, um mit den PatientInnen ins Gespräch zu kommen und sie in den Entscheidungsprozess einzubinden.

Quelle
Siemieniuk RAC, Harris IA, Agoritsas T, et al. Arthroscopic surgery for degenerative knee arthritis and meniscal tears: a clinical practice guideline. BMJ 2017;257:j1982. doi:10.1136/bmj.j1982

In der VMB: Arthroskopie bei degenerativer Erkrankung des Kniegelenks, 26. Juni 2015.

Zum Weiterlesen:
Kise NJ, Risberg MA, Stensrud S, Ranstam J, Engebretsen L, Roos EM. Exercise therapy versus arthroscopic partial meniscectomy for degenerative meniscal tear in middle aged patients: randomised controlled trial with two year follow-up. BMJ 2016;354:i3740. doi:10.1136/bmj.i3740 pmid:27440192.
Brignardello-Peterson R, Guyatt GH, Schandelmaier S, et al. Knee arthroscopy versus conservative management in patients with degenerative knee disease: a systematic review. BMJ Open 2017;7:e016114. doi:doi:10.1136/bmjopen-2017-161114
Devji T, Guyatt GH, Lytvyn L, et al. Application of minimal important differences in degenerative knee disease outcomes: a systematic review and case study to inform BMJ Rapid Recommendations. BMJ Open 2017;7:e015587. doi:doi:10.1136/bmjopen-2016-015587
Siemieniuk RA, Agoritsas T, Macdonald H, Guyatt GH, Brandt L, Vandvik PO. Introduction to BMJ Rapid Recommendations. BMJ2016;354:i5191. doi:10.1136/bmj.i5191 pmid:27680768