Asthma: ein vorübergehendes Leiden?

Asthma bei Erwachsenen: Wie hoch ist der Prozentsatz von spontanen Remissionen? Besteht eine Gefahr der Überdiagnose oder Übertherapie? Obwohl Asthma eine chronische Erkrankung darstellt, ist nicht bekannt, in welchem Umfang spontane Remissionen vorkommen. Eine in Kanada durchgeführte und im JAMA veröffentlichte Studie hat versucht, Klärung zu schaffen.

Die Studie
In zehn kanadischen Städten wurde eine prospektive multizentrische Studie (über vier Jahre, von 2012 bis 2016) durchgeführt. Die 613 Probanden (Alter > 18 Jahre) wurden telefonisch rekrutiert. Die Patienten hatten im Laufe der vergangenen fünf Jahre eine Asthma-Diagnose erhalten und während mindestens zehn Jahren nicht geraucht. Ausgeschlossen wurden Patienten, die langfristig orale Kortikosteroide zu sich nahmen, schwangere oder stillende Frauen sowie Personen, die keine Spirometrie durchführen konnten. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Personen, die vor kurzem einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten oder sich einem chirurgischen Eingriff an den Augen unterzogen hatten. Bei allen Studienteilnehmern wurden eine Spirometrie und ein Bronchialreaktivitätstest gemacht sowie die Symptome und der Peak-Flow überwacht. Wer  Asthma-Medikamente einnahm, war aufgefordert, diese im Laufe von vier medizinischen Konsultationen über zwölf Wochen sukzessive abzusetzen.

Die Asthma-Diagnose konnte auf diese Weise bei 203 der 613 Studienteilnehmer (33,1%) ausgeschlossen werden. Bei zwölf Probanden (2,0%) wurden ernsthafte Herz-Lungen-Erkrankungen nachgewiesen, die fälschlich als Asthma diagnostiziert worden waren. Beim Follow-up nach 12 Monaten zeigten 181 Teilnehmer (29,5%) weiterhin keine klinischen oder durch Laboruntersuchungen nachgewiesenen Anzeichen von Asthma. Bei der Gruppe, für die im Verlauf der Studie eine Asthma-Diagnose ausgeschlossen werden konnte, wurden in 43,8% der Fälle zum Zeitpunkt der ersten Diagnose weder eine Spirometrie noch ein bronchialer Reaktivitätstest oder Peak-Flow-Messungen durchgeführt. Aus diesem Grund bleibt ungewiss, ob die ursprüngliche Asthma-Diagnose richtig war.

Was sind die klinischen Implikationen dieser Studie? Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren eines Kommentars zum Artikel, insbesondere Helen Hollingsworth und George O’Connor (Boston University School of Medicine), kann es gut sein, dass Personen, bei denen Asthma diagnostiziert wird, nicht auf unbestimmte Zeit eine Asthma-Behandlung benötigen. Zweitens sind physiologische Tests wie die Spirometrie vor und nach der Verabreichung von Bronchodilatoren „ein wesentlicher Bestandteil der Asthma-Diagnose zur Vermeidung unnötiger Behandlungen und falscher Diagnosen“.

Was sind die Folgen der Übertherapie bei remissivem oder inexistentem Asthma?„35% der Probanden, bei denen Asthma ausgeschlossen werden konnte, hat Medikamente gegen Asthma eingenommen“, erläutern die AutorInnen der Forschungsarbeit, „und diese Medikamenteneinnahme hatte Risiken von Nebenwirkungen und Kosten zur Folge, jedoch kaum einen therapeutischen Nutzen“. Darüber hinaus haben viele an der Studie teilnehmenden Patienten bereits eigenständig ihre Medikamente abgesetzt, und „dies deutet darauf hin, dass viele Patienten in der Lage wären zu beurteilen, wann ihr Asthma remissiv ist, und zu entscheiden, ob sie ihre Asthma-Medikamente anpassen oder sogar aussetzen möchten, ohne ihren behandelnden Arzt darüber zu informieren“.

Abschließend meinen Helen Hollingsworth und George O’Connor, dass die JAMA-Studie uns in Erinnerung ruft, dass „neben der Kontrolle der Asthma-Symptome und ihrer Behandlung auch eine Überprüfung der Asthma-Diagnose als integraler Bestandteil der klinischen Versorgung angemessen wäre“.

Quellen:
Aaron SD, et al. Reevaluation of diagnosis in adults with physician-diagnosed asthma. JAMA. 2017;317(3):269-79. doi:10.1001/jama.2016.19627
Hollingsworth HM, O’Connor GT. Asthma—Here Today, Gone Tomorrow? JAMA. 2017;317(3):262-3. doi:10.1001/jama.2016.19676