In der kontrollierten prospektischen Multicenterstudie wurden 19.084 PatientInnen mit Bluthochdruck (10.614 Männer/8470 Frauen, 60,5±13,7 Jahre) einer Gruppe zugewiesen (1:1), die die gesamte Tagesdosis von ≥1 Blutdrucksenker vor dem Schlafengehen (Nr. = 9552) oder einer Gruppe, welche die Dosis nach dem Aufwachen nahm (Nr. = 9532). Der Blutdruck der TeilnehmerInnen wurde zu Studienbeginn und bei den mindestens einmal im Jahr während des Follow-ups ambulant durchgeführten Untersuchungen (ABP) über 48 Stunden gemessen. Während des mittleren Follow-ups von 6,3 Jahren traten bei 1752 TeilnehmerInnen primäre kardiovaskuläre Ereignisse auf (Tod, Myokardinfarkt, verstopfe Blutgefäße, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall). Nachdem Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchen, kardiovaskuläre Ereignisse in der Vergangenheit und der während des Schlafs niedrigere Blutdruck herausgerechnet wurden, entdeckte das Team, dass die PatientInnen, die die Medikamente abends einnahmen, im Vergleich zur anderen Gruppe ein um 56 % niedrigeres Risiko hatten, an kardiovaskulären Krankheiten zu sterben, ein um 49 % geringeres Schlaganfallrisiko und ein um 44 % niedrigeres Herzinfarktrisiko aufwiesen.
Während die Wirkung auf den Blutdruck während des Tages ähnlich war, konnte bei den PatientInnen, die ihre Medikamente abends einnahmen, eine kleine, aber signifikante Senkung des Blutdrucks während des Schlafs im Vergleich zu denjenigen festgestellt werden, die ihre Mittel nach dem Aufstehen einnahmen, außerdem war der Unterschied zwischen dem Blutdruck während des Schlafs und dem im Wachzustand größer.
Die Experten gehen davon aus, dass diese Ergebnisse die Art, wie Blutdrucksenker verschrieben werden, beeinflussen könnten, es bleiben jedoch Fragen offen, insbesondere, warum die Einnahme der Medikamente während der Nacht eine solch starke Wirkung hat. Ramón Hermida von der Universität Vigo in Spanien, der Erstautor der Studie, vermutet, dass sie auf den circadianischen Rhythmus zurückzuführen ist, das heißt, auf die Prozesse und chemischen Substanzen, die in unserem Körper vorhanden sind und sich im Lauf von 24 Stunden verändern. Daraus folgt, dass die Wirkung des gleichen Medikaments ganz unterschiedlich sein kann, wenn es in unterschiedlichen Momenten eingenommen wird, wofür der Begriff „Chronotherapie“ steht. „Das gleiche blutdrucksenkende Mittel, der gleiche Wirkstoff, die gleiche Dosis gehen, wenn sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingenommen werden, mit einer völlig anderen Pharmakokinetik und Pharmakodynamik einher, als handele es sich um zwei ganz unterschiedliche Mittel“.
Frühere Studien haben gezeigt, dass hoher Blutdruck während des Schlafs und selbst kleine Unterschiede zwischen dem Blutdruck am Tag und in der Nacht bedeutende Risikofaktoren für kardiovaskuläre Probleme sind.
Professor Stephen MacMahon, Leiter des George Institute for Global Health der Università di Oxford, der nicht an der Studie beteiligt war, kommentierte, dass eine so starke Wirkung in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse angesichts der geringen Unterschiede des Blutdrucks überraschend ist. Tatsächlich entdeckte Team, dass diejenigen, die das Medikament einnahmen, bevor sie zu Bett gingen, auch eine bessere Funktionalität der Nieren und bessere Cholesterinwerte aufwiesen, zwei wichtige Faktoren für kardiovaskuläre Krankheiten.
Quelle
Hermida RC et al. Bedtime hypertension treatment improves cardiovascular risk reduction: the Hygia Chronotherapy Trial. European Heart Journal, ehz754, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz754