Das Delir, schreibt der Autor des Reviews, Edward Marcantonio von der Harvard Medical School, ist die häufigste chirurgische Komplikation bei älteren Menschen und weist eine Inzidenz auf, die bei elektiven Eingriffen bei 15 bis 25 % und nach risikoreichen Eingriffen wie Herz- oder Hüftoperationen bei 50 % liegt. Dieser Prozentsatz steigt auf der Intensivstation, bei älteren PatientInnen, die künstlich beatmet werden, weiter an. Delir gilt als vorübergehendes Phänomen, allerdings hat ein systematisches Übersichtsarbeit gezeigt, dass das im Krankenhaus aufgetretene Delir in 45 % der Fälle auch bei der Entlassung fortdauerte und in 33 % noch nach einem Monat anhielt. Dabei scheinen nur 12 – 35 % aller Fälle erkannt zu werden.
Delir bei betagten PatientInnen im Krankenhaus: einige Schlüsselelemente
- Es gibt eine Reihe von prädisponierenden und auslösenden Faktoren. Je mehr von erstgenannten vorliegen, desto eher reichen wenige auslösende Elemente aus, damit sich das Delir manifestiert.
- Der erste Schritt ist die sorgfältige Diagnose. Es wird empfohlen, auf einen Algorithmus wie Confusion Assessment Method zurückzugreifen.
- Nach der Diagnose müssen die reversiblen Ursachen aufmerksam bewertet und behandelt werden.
- Verhaltensstörungen sind vorzugsweise ohne Arzneimittel zu behandeln.
- Eine eventuelle pharmakologische Therapie bei spezifischen Verhaltensweisen sollte so bald wie möglich eingestellt werden.
- Als prädisponierende Faktoren werden genannt: männliches Geschlecht, Einbuße von Sehkraft und Gehör, depressive Symptome, leichte kognitive Beeinträchtigung, Alkoholmissbrauch.
- Unter den auslösenden Faktoren sind: bestimmte Arzneimittel (insbesondere sedativ-hypnotische und anticholinerge Wirkstoffe), chirurgische Eingriffe, Anästhesie, intensive Schmerzen, Anämie, Infektionen, akute Krankheiten, akute Verschlechterung chronischer Erkrankungen.
Allgemeine Prinzipien für die Behandlung eines Delirs
Zu den gewöhnlichen Faktoren, die modifizierbar sind, gehören Arzneimittel: Der Artikel zählt die wichtigsten Arzneimittel und die möglichen Alternativen auf. Auch Umweltfaktoren sind von Bedeutung: Es sollte darauf geachtet werden, dass die Räume tagsüber gut beleuchtet werden und in der Nacht Dunkelheit und Ruhe gewährleistet sind. Wichtig ist es auch, die Orientierung zu verbessern und die Sinnesdeprivation zu vermindern (z. B. mit Uhren und Kalendern). Darüber hinaus sollten die KrankenhauspatientInnen ermuntert werden, Brillen und Hörgeräte zu tragen, falls nötig. Bei Menschen mit hohem Risiko von Delir empfiehlt es sich zudem, den Einsatz von psychoaktiven Medikamenten zu verringern.
Aus der Übersichtsarbeit geht folglich hervor, dass es sowohl möglich ist, dem Delir bei betagten KrankenhauspatientInnen vorzubeugen, wie die Schwere und Dauer eines Delirs zu vermindern.
Quelle: Marcantonio ER. Delirium in Hospitalized Older Adults. N Engl J Med 2017; 377:1456-1466
Siehe auch IPASVI: Delirium post operatorio
Leitlinien
American Geriatrics Society Expert Panel on Postoperative Delirium in Older Adults. American Geriatrics Society abstracted clinical practice guideline for postoperative delirium in older adults. J Am Geriatr Soc 2015;63:142-150.
Young J, et al. Diagnosis, prevention, and management of delirium: summary of NICE guidance. BMJ 2010;341:c3704-c3704