Die Nützlichkeit von Tagungen über Gendermedizin

Es heißt, die Gendermedizin sei „in Mode“: Wahr ist, dass es in den letzten Jahren immer mehr Veranstaltungen über Gendermedizin gibt und auch mehr Artikel zum Thema erscheinen. Italien sticht im europäischen Umfeld durch die Vielfalt von Initiativen hervor. Aber wie wirkt sich die Fülle von Veranstaltungen auf das Bewusstsein über Geschlechtsunterschiede im Gesundheitsbereich aus?

Am 3. März 2016 hat die Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana” in Bozen zusammen mit dem Gesundheitsassessorat einen „Gender Day“ organisiert, eine Ausbildungsveranstaltung über Gendermedizin, die sich an alle Studierende von nicht ärztlichen Gesundheitsberufen wendete und zum Ziel hatte, Wissen zu vermitteln und das Bewusstsein über die geschlechtsspezifischen Unterschiede zu vertiefen.

Vor und nach der Veranstaltung wurde den Studierenden der 12 Studiengänge der „Claudiana” ein anonymer Online-Fragebogen vorgelegt, um folgende Punkte zu sondieren:

  • die Sensibilität für Geschlechtsunterschiede im Gesundheitsbereich
  • Geschlechtsstereotype in Bezug auf die PatientInnen
  • Geschlechtsstereotype in Bezug auf die ÄrztInnen/Gesundheitsfachleute

Der Fragebogen umfasste darüber hinaus 12 Items über die Bedeutung der Gendermedizin für die Ausbildung und die Berufspraxis.

Ziel der Studie war es herauszufinden, ob die Veranstaltung das Bewusstsein der Studierenden über Geschlechtsunterschiede im Gesundheitswesen gestärkt und ihr Interesse für die Weiterbildung in diesem Bereich geweckt hatte.

Am Gender Day nahmen 415 Studierende teil, von denen 236 den Fragebogen vor und nach der Veranstaltung ausfüllten. Die Ergebnisse lassen auf eine größere Sensibilität für gendermedizinische Themen sämtlicher TeilnehmerInnen schließen, wobei insbesondere bei den Studentinnen eine statistisch signifikante Steigerung zu beobachten war.

Auch der Umgang mit geschlechtsspezifischen Stereotypen in Bezug auf die PatientInnen und das medizinische Fachpersonal verbesserte sich sowohl bei männlichen wie bei weiblichen Studierenden.

Schließlich zeigen die Ergebnisse hinsichtlich der Bedeutung der Gendermedizin für die Ausbildung und die Berufspraxis ein größeres Interesse und mehr Sensibilität für das Thema bei allen TeilnehmerInnen. Zum Beispiel erhielt die Feststellung: „Ich glaube, dass meine Kenntnisse über Gendermedizin mir bei meinem zukünftigen Beruf nützlich sein werden“ vor der Veranstaltung 73,8 % Zustimmung und danach 90,7 %.

 „Der Gender Day hat die Studierenden ganz konkret für die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Gesundheitsbereich sensibilisiert und ihr Bewusstsein darüber geschärft, wie wichtig es ist, diese Unterschiede in der Beziehung und Pflege der PatientInnen zu berücksichtigen”, heißt es abschließend in der Studie. Aus diesem Grund „halten wir es für sehr wichtig, dass Gendermedizin in die Ausbildung von Gesundheitsfachleuten integriert wird“. Allerdings zeigen die Ergebnisse der Studie auch, dass der Fragebogen von 206 Frauen und nur 30 Männern ausgefüllt wurde. Und wer mit Initiativen zur Gendermedizin zu tun hat, weiß, dass an ihnen vor allem Frauen teilnehmen. Aber Gendermedizin ist keine „Frauen-Medizin“, sondern eine neue Herangehensweise an Medizin und Gesundheit, die alle Fachrichtungen betrifft.

Aus diesem Grund werden in der Claudiana in den nächsten Jahren interprofessionelle Seminare stattfinden, die eine umfassende und individuelle Betreuung der PatientInnen unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten fördern sollen.

Die Studie wurde bei der Tagung „Le differenze come potenzialità nell’offerta formativa, nelle competenze, negli studenti” vorgestellt, die vom 22. bis zum 23. September in Bologna stattfand hat, mit dem Preis für das beste Poster ausgezeichnet.

Quelle
Cavada L, Grandi-Messerschmidt C, Lochner L, Padovan M, Sperindè P, Vittadello F.  Gender Day. Un evento formativo modifica la consapevolezza delle differenze di genere negli studenti delle professioni sanitarie? (PDF)

Zur Vertiefung
Andersson, J., Verdonk, P., Johansson, E. E., Lagro-Janssen, T. & Hamberg, K. (2012). Comparing gender awareness in Dutch and Swedish first-year medical students – results from a questionnaire. BMC Medical Education, 12;12:3. doi: 10.1186/1472-6920-12-3.
Hochleitner, M., Nachtschatt, U. & Siller, H. (2013). How do we get Gender Medicine into medical education? Health Care for Women International, 34(1):3-13. doi: 10.1080/07399332.2012.721419.
Verdonk, P., Benschop, Y., De Haes, H. & Lagro-Janssen, T. (2008). Medical Students‘ Gender Awareness. Sex Roles 58:222-234. doi: 10.1007/s11199-007-9326.
Vona R. Differenze di genere e sesso: le pubblicazioni su Web of Science 2000-2016. Ital J Gender-Specific Med 2016; 2(4): 170 | DOI 10.1723/2696.27575