Handgelenksschiene vs. Kortikosteroide bei Karpaltunnelsyndrom

Das Karpaltunnelsyndrom ist weit verbreitet (vor allem bei Frauen) und wirkt sich negativ auf die täglichen Verrichtungen und ganz allgemein auf die Lebensqualität aus.  Zu den Symptomen, derentwegen häufig ein Arzt aufgesucht wird, gehören insbesondere Schmerzen an der Hand, Gefühlsstörungen und Schwäche. Die wesentlichen Maßnahmen der Standardtherapie sind das Anlegen einer Handgelenkschiene in der Nacht und lokale Kortikosteroidinjektionen.

Die Studie
Die in Lancet veröffentlichte Studie wurde in 25 britischen Primärversorgungszentren durchgeführt und verglich eine einmalige Kortikosteroidinjektion (20 mg Methylprednisolon) mit einer in der Nacht angelegten Handgelenksschiene über einen Zeitraum von sechs Wochen. Bei 212 PatientInnen, die den Fragebogen ausfüllten, war die Punktzahl im Boston Carpal Tunnel Questionnaire (Schweregrad der Symptome und Punkte für den funktionellen Zustand, auf einer Skala von 1-5) in der Gruppe mit den Injektionen signifikant besser als in der mit nächtlicher Schiene. Nach sechs Wochen betrug die durchschnittliche Besserung der Punktzahl bei den Symptomen in der Injektions-Gruppe 0,84 und in der Gruppe mit Schiene 0,48.

Diskussion
Die klinische Diagnose des leichten oder moderaten Karpaltunnelsyndroms wurde von unterschiedlichen Personen (AllgemeinärztInnen, PhysiotherapeutInnen und ErgotherapeutInnen) gestellt, die in den 25 Gesundheitszentren tätig sind, welche in die Studie aufgenommen wurden; allerdings wurden keine Tests zur Nervenleitung durchgeführt, eine diagnostische Methode, mit der die Schwere der Krankheit genau festgestellt werden kann. Dies stellt jedoch nur scheinbar einen Nachteil dar, da die Therapie oft auf der Grundlage einer praktischen klinischen Diagnose verschrieben wird und es sich hier um eine pragmatische Studie handelt.

Auch wenn die Studie im Umfeld der Primärversorgung durchgeführt wurde, ähneln die aufgenommenen PatientInnen  hinsichtlich der Schwere und Dauer der von ihnen beschriebenen Symptome zum größten Teil jenen im klinischen Bereich, die Ergebnisse sind also potentiell über die Primärversorgung hinaus von Bedeutung.

Ein weiterer Aspekt dieser Studie, der berücksichtigt werden muss, betrifft die Therapietreue, da es die PatientInnen waren, die nach sechs Wochen berichteten, ob sie nachts die Gelenkschiene angelegt hatten. Da die Therapietreue nur die Gruppe mit Gelenkschiene betraf, könnte eine geringe Compliance die Wirkung der Behandlung verringern. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es bei den Injektionen einen größeren Placebo-Effekt geben könnte als bei einer nicht-invasiven Therapie.

Schlussfolgerungen
Die Studie könnte also eine deutliche Wende in der klinischen Praxis rechtfertigen, da PatientInnen mit leichtem oder moderatem Karpaltunnelsyndrom die Option einer einmaligen Injektion von Steroiden anstatt der in der Nacht angelegten Handgelenksschiene zur Verfügung steht. Ein neuer, evidenzbasierter Standard wäre dann die anfängliche Behandlung mit einer Steroidinjektion, um bei ausbleibender Besserung oder Wiederauftreten von Symptomen einen chirurgischen Eingriff vorzunehmen.

Quelle:
Chesterton LS et al. The clinical and cost-effectiveness of corticosteroid injection versus night splints for carpal tunnel syndrome (INSTINCTS trial): An open-label, parallel group, randomised controlled trial. Lancet 2018 Oct 20; 392:1423.