Laut einer neuen Studie der Universität Edinburgh, die in Nature Medicine erschienen ist, könnte ein mit Hilfe künstlicher Intelligenz entwickelter Algorithmus schon bald von Ärzt:innen verwendet werden, um einen Infarkt mit beispielloser Schnelligkeit und Präzision zu diagnostizieren.
Die Effizienz des Algorithmus namens CoDE-ACS wurde an 10 286 Patient:innen in sechs Ländern weltweit getestet. Es wurden die üblichen Informationen über die Patient:innen wie Alter, Geschlecht, Ergebnisse des EKG und der Anamnese gesammelt sowie die Troponin-Werte, um die Wahrscheinlichkeit zu bewerten, dass ein Mensch einen Infarkt hatte. Das Ergebnis war eine Wahrscheinlichkeitsbewertung von 0 bis 100 für jeden Patienten. Die Forschenden fanden heraus, dass CoDE-ACS im Vergleich zu den gegenwärtigen Methoden einen Infarkt bei mehr als doppelt so vielen Teilnehmenden ausschließen konnte, mit einer Genauigkeit von 99,6 %.
Als direkte Folge der Schnelligkeit, mit der ein Infarkt ausgeschlossen werden kann, könnte sich die Zahl an Krankenhausaufenthalte verringern. Dazu wird gerade in Schottland mit Unterstützung des Wellcome Leap eine Studie durchgeführt, um festzustellen, ob dieses Instrument den Ärzt:innen wirklich helfen kann, den Druck auf die Notaufnahmen zu senken.
Der aktuelle Goldstandard in der Herzinfarkt-Diagnostik ist die Bestimmung der Troponin-Werte im Blut. Jedoch gilt der gleiche Grenzwert für alle Patient:innen, was bedeutet, dass Faktoren wie Alter, Geschlecht oder andere Gesundheitsprobleme, die den Troponin-Wert beeinflussen, nicht berücksichtigt werden, was die Genauigkeit der Diagnose eines Herzinfarkts beeinflusst.
Das kann zu Ungleichheiten bei der Diagnose führen. Eine frühere Studie hat zum Beispiel gezeigt, dass Frauen eine 50 % höhere Wahrscheinlichkeit haben, anfangs eine falsche Diagnose zu erhalten. Menschen, deren Diagnose zu Beginn falsch ist, haben ein um 70 % erhöhtes Risiko, nach 30 Tagen zu sterben. Der neue Algorithmus bietet die Chance, das zu verhindern. Das KI-Instrument funktionierte unabhängig vom Alter, dem Geschlecht und dem vorherigen Gesundheitszustand gut und zeigte sein ganzes Potenzial bei der Vermeidung von Fehldiagnosen und Ungleichheit in der Bevölkerung.
Neben dem Ausschluss von Infarkten könnte CoDE-ACS den Ärzt:nnen auch helfen, anomale Troponin-Werte bei Menschen festzustellen, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind.
„Bei Patient:innen mit akuten Thoraxschmerzen wegen eines Herzinfarkts sind die schnelle Diagnose und Behandlung lebensrettend. Leider gibt es viele Ursachen für diese verbreiteten Symptome und die Diagnose ist nicht immer einfach. Die Nutzung von Daten und künstlicher Intelligenz zur Unterstützung klinischer Entscheidungen hat ein enormes Potenzial für die Behandlung der Patient:innen und die Effizienz unserer überfüllten Notaufnahmen“, erklärt Nicholas Mills, Professor für Kardiologie am Center for Cardiovascular Science der Universität Edinburgh, der die Studie geleitet hat.
Quelle
Doudesis D et al.; CoDE-ACS Investigators. Machine learning for diagnosis of myocardial infarction using cardiac troponin concentrations. Nat Med. 2023 May 11. doi: 10.1038/s41591-023-02325-4. Epub ahead of print. PMID: 37169863.