Mandeln und Polypen: Wo waren wir stehen geblieben?

Die Voraussetzung dafür, dass vor allem in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts Polypen und Mandeln häufig in den ersten Lebensjahren entfernt wurden, war die verbreitete Meinung (die allerdings kaum von wissenschaftlichen Nachweisen gestützt wurde), dass ihr Fehlen kaum Langzeitfolgen, aber beträchtliche Wirkung bei der Behandlung von Atembeschwerden oder häufig wiederkehrenden Mittelohrentzündungen habe. Polypen und Mandeln gehören zum Immunsystem und ihre Rolle bei der Abwehr von Pathogenen ist bekannt; darüber hinaus werden sie gewöhnlich in einem Alter entfernt, in dem sich das Immunsystem noch im Entstehen befindet.
 
Die Studie hat die langfristigen Risiken für 28 Krankheiten nach einem chirurgischen Eingriff bei ca. 1,2 Millionen Menschen (die zwischen 1979 und 1999 geboren wurden und deren Gesundheitsdaten bis 2009 in nationalen dänischen Registern aufgezeichnet wurden) untersucht, die von der Geburt und zum Teil bis zum 30. Lebensjahr begleitet wurden, und bei denen in den ersten neun Lebensjahren eine Adenotomie, eine Tonsillektomie oder eine Adenotonsillektomie durchgeführt worden war: Bei 17.460 eine Adenotomie, bei 11.830 eine Tonsillektomie und bei 31.377 eine Adenotonsillektomie. Die Kontrollgruppe setzte sich aus 1.157.684 Menschen zusammen. Sämtliche Teilnehmer wurden dahingehend ausgewählt, dass ihre Gesundheit vor dem Eingriff keine signifikanten Unterschiede aufwies.
 
Die Ergebnisse
Der Rückgriff auf Daten aus dem dänischen Gesundheitssystem machte es möglich, viele verschiedene medizinische, sozioökonomische und statistische Störfaktoren zu kontrollieren, um eine glaubhafte Einschätzung der langfristigen Risiken dieses chirurgischen Eingriffs zu ermöglichen. Man stellte fest, dass die Tonsillektomie mit einem fast dreifach erhöhten Risiko für Krankheiten der oberen Atemwege verbunden war, während die Adenoidektomie ein zweimal so hohes Risiko für COPD und Krankheiten der oberen Atemwege sowie ein verdoppeltes Risiko von Bindehautentzündung mit sich brachte. Zudem konnte ein beträchtlicher Anstieg des absoluten Risikos für Krankheiten der oberen Atemwege festgestellt werden.
 
Überlegungen
Aus der Studie wird offensichtlich, wie wichtig das Thema ist, ob der Nutzen eines Eingriffs die Morbiditätsrisiken kurz- und langfristig übersteigt. Im letzten Jahrhundert waren diese Operationen lange Zeit die Normalität, in jüngster Zeit sind sie jedoch zurückgegangen, weil es inzwischen andere Therapien für Infektionen des Innenohrs und der Mund- und Nasenhöhle gibt, und gleichzeitig die kurzfristigen Risiken chirurgischer Eingriffe anders bewertet werden. Die Ergebnisse der Studie (die erste, die sich mit den langfristigen Risiken beschäftigt),  bieten viele Elemente, die für den Verzicht auf einen Eingriff und die Untersuchung der Rolle sprechen, die Mandeln und Polypen bei der Entwicklung und Wirksamkeit des Immunsystems spielen.
 
Quellen:
Byars SG et al. Association of long-term risk of respiratory, allergic, and infectious diseases with removal of adenoids and tonsils in childhood. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2018 Jun 7. doi: 10.1001/jamaoto.2018.0614. [Epub ahead of print]