Statine zwischen den Fronten

Kann man für oder gegen Statine sein? Ein Standpunkt, den Harlan Krumholz (Yale University School of Medicine) im JAMA darlegt, und ein Post des Journalisten Larry Husten in Cardiobrief versuchen einen ausgewogenen Überblick zu vermitteln und die polarisierte Debatte zwischen entgegengesetzten Fronten zu überwinden.

Husten stellt die Thesen der „Gegner“ von Statinen denjenigen der Befürworter gegenüber. Was Erstgenannte angeht, stellt er unter anderem fest, dass es zwar Nebenwirkungen gibt, diese aber seltener auftreten, als man glauben könnte; wer sich dagegen entschieden für Statine ausspricht, neigt zuweilen dazu, ihren Nutzen zu überschätzen, insbesondere für Menschen mit niedrigem Risiko. Er regt dazu an, einem langweiligen, ausgeglichenen Mittelweg zu folgen, für den sich auch Krumholz im JAMA ausspricht.

Krumholz schickt voraus, dass seine Überlegungen durchschnittliche PatientInnen betreffen, nicht die „extremen Phänotypen“, und erinnert dann daran, welch epochalen Wandel die Leitlinien ACC/AHA von 2013 darstellen:  Zum ersten Mal sprach man sich dafür aus, dass die therapeutische Vorgehensweise sich nicht am Zielwert LDL-Cholesterol, sondern an der Bewertung des kardiovaskulären Risikos orientieren sollte. Die Studien, die den Leitlinien zugrunde lagen, hatten untersucht, wie sich bestimmte Therapien auf das Risiko auswirkten; aus den untersuchten Studien war zudem hervorgegangen, dass nicht alle Arzneimittel, die die Blutfettwerte senken, das Ergebnis für die PatientInnen verbesserten. Dieser Ansatz geht jedoch nicht „mit einer Ablehnung der auf Lipiden beruhenden Hypothesen einher, sondern stellt den Versuch dar, die Empfehlungen an den wissenschaftlichen Belegen auszurichten“.

Aber wie soll man sich, angesichts der jüngsten wissenschaftlichen Nachweise und des neuen Ansatzes, im Jahr 2017 verhalten? Mit Ausnahme der extremen Phänotypen, geht es drum, das Risiko zu senken, nicht die Cholesterinwerte. Zudem sollte man bedenken, dass es eine schwierige Entscheidung darstellen kann, die Cholesterinwerte in der primären Prävention zu senken, das heißt, bei Menschen ohne kardiovaskuläre Ereignisse. Je größer das Risiko ist, desto größer ist dagegen auch der Nutzen der Therapie.

Zuerst muss das Risiko bewertet werden, um dann einen gesunden Lebensstil zu empfehlen und mit dem Patienten/der Patientin über Risiken und Nutzen einer Therapie zu sprechen, die die Blutfettwerte senkt. „Lipidsenkende Medikamente, die auf wissenschaftlichen Nachweisen beruhen, scheinen das Risiko auch dann zu vermindern, wenn die anfänglichen LDL-Werte niedrig sind: Diese Medikamente dienen zur Risikoverminderung“, schreibt Krumholz und fügt hinzu: „Zwei Menschen entscheiden sich möglicherweise für zwei verschiedenen Strategien und beide können richtig sein, abhängig von ihren Vorlieben. Wesentlich dabei ist“, hebt der Autor hervor, „dass niemandem eine Behandlung aufgezwungen, sondern ihm bei der Entscheidungsfindung geholfen wird“.

HochrisikopatientInnen. Für diese Menschen, einschließlich jener, bei denen schon ein arteriosklerotisches kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten ist, kann eine hoch dosierte Statin-Therapie die beste Behandlung sein, um das Risiko bei geringen Nebenwirkungen zu senken. Bei PatientInnen, die schon ein Ereignis durchgemacht haben und eine weitere Senkung des Risikos wünschen, können Arzneimittel aus anderen Klassen eingesetzt werden.
PatientInnen mit niedrigem Risiko. Bei diesen Menschen hat die Behandlung mit Statinen einen geringeren Nutzen, auch wenn viele der Meinung sein können, dass der Nutzen dennoch die Risiken übersteigt. In diesen Fällen empfiehlt sich, mit niedrig dosierten Statinen zu beginnen und sich hinsichtlich der Risikosenkung an den Vorlieben des Patienten/der Patientin zu orientieren.

Wenn jemand eine Unverträglichkeit gegenüber einem bestimmten Statin aufweist, kann man ein anderes Statin ausprobieren, bevor man zu einer anderen Arzneimittelklasse übergeht, für die gute wissenschaftliche Nachweise vorliegen. Diesen Weg kann man auch bei ernsthaften Nebenwirkungen beschreiten.

Auf jeden Fall muss ein sorgfältiges Follow-up erfolgen. Krumholz schließt mit der Darlegung der Schlüsselbotschaften seines Beitrags: „Die nachdrücklichste Behandlungsempfehlung gilt für das höchste Risiko, eine robuste Evidenzlage und vertretbare Kosten. Die Verwendung von Statinen bei HochrisikopatientInnen und der überlegte Einsatz von weiteren evidenzbasierten Optionen, die gemeinsame Entscheidungsfindung mit den PatientInnen sowie ein gesunder Lebensstil versprechen am meisten Erfolg bei der Prävention von Morbidität und Mortalität aufgrund von kardiovaskulären Krankheiten“.

Quellen:
Krumholz HM. Treatment of cholesterol in 2017. JAMA 2017;318(5): 417-8. doi:10.1001/jama.2017.6753
Larry Husten. How statins make some people crazy. Cardiobrief July 30, 2017